Geisterjäger

TV On The Radio im Berliner Astra

Der Tagesspiegel, 25. Juni 2011

Dieses Publikum ist jeder Band zu wünschen: Angenehm durchmischt, hoch konzentriert und auch noch musikalisch. Es kennt sich in der Post-Punk-Geschichte aus und klatscht auch einen Sechs-Achtel-Takt korrekt mit. Nun haben sich TV On The Radio, Vorreiter der psychedelisch-experimentellen Brooklyn-Szene der Nuller Jahre, das echt verdient. Die Band bot seit den Anfängen 2001 ein Modell für transgressive Arbeit im Kollektiv und damit politisch wie modisch großes Identifikationspotenzial.

Im ausverkauften Astra brennen TV On The Radio wieder ein düster schillerndes Art-Rock-Feuerwerk ab, rühren in brodelnder Urmasse, irren in psychedelischem Fiebern mit rührenden Riffs über flirrendes Synthiegeplucker. Kyp Malones Gitarrenflächen veredeln den Sound mit quecksilbriger Kälte und die Trompete schafft zusammen mit dem Schlagzeug eine lässige Marching-Band-Verschlepptheit. So fühlt man sich schön gegen den Strich gebürstet und zugleich umschmeichelt von Tunde Adebimpe dunkel-nasalem Gesang und Malones Kopfstimme. Immer toll, wie die Songs sich unterwegs verlieren und die Richtung wechseln, wie „Repetition“ vom aktuellen vierten Album „Nine Types Of Light“, das nach der Hälfte in blindes Geknüppel und die geloopte Bekundung mündet: „My Repetition, my repetition is this, ...“ Atmosphärischere Stücke wie „Dreams“ wirken stärker als Funkrocknummern wie „Caffeinated Consciousness“ und „Dancing Choose“. TV On The Radio sind eben eine Studioband. Bei aller bluesigen Ungeschliffenheit machen sie Kopfmusik.

Produzent und Gitarrist David Sitek ist mit seiner Grafikerbrille stur den Kollegen zugewandt, unterstreichend, dass hier gerade gearbeitet wird. Das Publikum frisst der Band umso mehr aus der Hand und bekommt schließlich Zucker mit dem Indie-Hit „Playhouses“. Malone und Adebimpe werden nicht müde zu betonen was für eine gute Zeit sie hier haben. Ihre großzügige Lässigkeit ist überraschend und befreiend, stand die Europatour doch nach dem Krebstod von Bassist Gerard Smith im April auf der Kippe. Von Bedrücktheit ist der Band nichts anzumerken, nach drei Zugaben überführt sie mit dem begeistert aufgenommen Fugazi-Cover „Waiting Room“ in eine freundschaftliche Jamsession-Stimmung. So könnte es noch Stunden weitergehen, aber die beknackte Idee des „Ghostbusters“-Song als Rausschmeißer ist natürlich auch irgendwie lustig.

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für kunstkritik 2012

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