Schnappmäuler und Plastikknochen

Zum Auftakt eines Viertage-Konzerts zeigten sich Bodi Bill im Lido etwas unterspannt

Der Tagesspiegel, 26. April 2011

Das Prinzip erinnert an James Browns Shows im Apollo Theatre oder an Michael Jacksons geplanten Sommerspielplan 2009 in London: Vier Abende am Stück spielt das Folk-Elektro-Trio Bodi Bill im Lido. Normalerweise bucht man bei der Nachfrage einen größeren Club. Aber die Berliner wollten es für ihre Heimauftritte intim haben. Der Nachteil dieses schönen Konzepts enthüllt sich bei der ersten Ausgabe am Montag: Es fehlt Spannung. Und auf die Herstellung von Spannung verstehen sich Bodi Bill doch eigentlich so gut, auf prekäre Glücksmomente, balanciert auf kammermusikalischen Melodiebögen über den Schnappmäulern bratzender Synthie-Bässe. Wenn die drei sich im Lido über einen Laptop beugen, wirkt es allerdings, als schauten sie sich und der Software bei der Arbeit zu, nach dem Motto: Morgen ist auch noch ein Tag. Sänger Fabian Fenk schwenkt zur Eröffnung einen riesigen Plastikknochen und tanzt dann im Medizinmann-Federschmuck, aber die Nummer zündet nicht so richtig. Alex Amoon legt ab und zu die Geige an, aber den Virtuosen in sich lässt er nicht raus.

Licht- und Klangtechniker lenken Handschrift-Projektionen auf Leinwand und Röhrenfernseher, die mit der Alufoliendeko den Eindruck einer verstrahlten Do-it-yourself-Disco ergeben, ein Berlin-Aroma, das irgendwann auch zur Masche wird. Die Band hat ihr drittes Album „What?“ dabei, das pluckernde Achtziger-Synthies im Midtempo aneinanderreiht wie die Junior Boys und hinter der Vielschichtigkeit des Vorgängers zurückbleibt. Live aber gut: „Pyramiding“. Wie immer werden die alten, mit Erinnerung aufgeladenen Songs mehr gefeiert, wie „I Like Holden Caulfield“, das in Synthiesägen überführt wird, oder „Willem“, das als Rausschmeißer in der zweiten Zugabe die meisten zufriedenstellt. Als Vorpremiere geht das durch.

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