Generation Null

Green Day präsentierten ihr Album "21st Century Breakdown" bei einem Showcase im Maschinenhaus

Der Tagesspiegel, 10. Mai 2009

In der fünften Klasse sollten wir ein Idol vorstellen. Ich wählte Billy Joe Armstrong, den Sänger von Green Day. Für meine Präsentation montierte ich Fotos aus der „Bravo“. Der Anstrich von Aufmüpfigkeit in leicht clownesker Form hatte eine ziemliche Überzeugungskraft für Leute wie mich. Das '94er Album „Dookie“ verkaufte sich über 15 Millionen Mal und ebnete den Weg für all die Poppunk-Bands von Blink 182 bis Sum 41. Bis ich mir ein eigenes Bild von Green Days berüchtigten Live-Qualitäten machte, sollte es allerdings 15 Jahre dauern.

Es ist ja immer ein gemeiner Rahmen, so ein exklusives Showcase wie am Donnerstag im Maschinenhaus, wo Green Day dem Fachpublikum ihr neuntes Studioalbum vorstellten („21st Century Breakdown“ erscheint kommenden Freitag bei Warner): Vorne ein Streifen feiernder Fans, die sich über ihre Verlosungskarten freuen, dahinter eine Wand professionellen Desinteresses. Das möchte man keinem Musiker wünschen. Andererseits: Billy Joe Armstrong, Tré Cool und Mike Dirnt sind jetzt Ende 30. Sie blicken also über die pogenden 16jährigen hinweg ins Gesicht ihrer eigenen Generation, die da mit verschränkten Armen steht und sich fragt, was die millionenschweren Familienväter immer noch da oben machen.

„Born into Nixon I was raised in Hell“, eröffnet Armstrong das Konzert mit dem Titelsong, der aus der Perspektive eines Wohlstandskindes auf allseitigen Verfall blickt. Was mit einem klassischen Drei-Akkord-Riff beginnt, wächst sich zu einer epischen Rocknummer von fünf Minuten aus, die in einer absteigenden Akkordfolge verglüht. Sicher der Höhepunkt des Albums. „My Generation is zero“, reflektiert Armstrong hier die Bedingungen der Möglichkeit von Punkrock, „I never made it as a Working Class Hero“. Als Teil einer Generation ohne Eigenschaften blieb ihm das Heroische des Arbeiterklassenpunks von „The Clash“ oder „The Jam“ verwehrt.

Ein bisschen mehr dieses Reflektionsniveaus täte gut. Dann würde sich der Sänger vielleicht nicht mit immer gleichen „Heeeh-Yo!“-Kasperletheater-Spielchen der Albernheit preis geben. Während der stoische Tourgitarrist am Rand die Soli besorgt, fixiert Armstrong mit großen Augen das Publikum, als wollte er sagen: Guckt mal, was wir hier krasses machen für euch. Das Problem: Was Armstrong da tut, folgt keiner inneren Notwendigkeit. Green Day wirken wie Clowns, die um die Liebe eines Publikums bangen, das zwar streng auf Neues wartet, sich aber doch am meisten über die alten Nummern freut (Drummer Tré Cool ist übrigens tatsächlich ausgebildeter Clown).

Drei Jahre hat sich die Band in einer Lagerhalle in Oakland eingeschlossen, um mit Hilfe von Nirvana-Produzent Butch Vig der Grammyschweren Rockoper „American Idiot“ einen Nachfolger zu schaffen. War „American Idiot“ eine Bush-Anklage zur Wahl 2004, ist „21st Century Breakdown“ mit seinen 18 Songs ein ambitionierter Krisenkommentar, dem es allerdings selbst an stilistischer Orientierung mangelt. In ihrem Bemühen um Aktualität und Relevanz sind Green Day inzwischen das antibürgerliche Pendant zum Staatskünstler Bruce Springsteen.

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